Arbeitslosigkeit ist für viele Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen nach Krankheiten oder Unfällen eine besonders belastende Situation. Oftmals stehen sie vor der Herausforderung, sich beruflich neu orientieren zu müssen und ihren Platz auf dem Arbeitsmarkt wiederzufinden. In diesem Beitrag setzen sich Dr. Karin Kelle-Herfurth und Jörg Dommershausen mit den Problemen und Möglichkeiten der beruflichen Rehabilitation für arbeitslose Menschen auseinander.
Frau Dr. Karin Kelle-Herfurth, eine erfahrene Ärztin und Unternehmensberaterin aus Hamburg, kennt die Hörerinnen und Hörer des Auf geht’s – der Reha-Podcast schon. Sie berät unter anderem Menschen in der beruflichen Bildung und Neuorientierung, sowohl im Bereich des betrieblichen Eingliederungsmanagements als auch in geförderten Programmen von Bildungsanbietern.
Arbeitslosigkeit nach schweren Unfällen – Eine problematische Situation
Im Gespräch mit Dr. Kelle-Herfurth wird deutlich, dass arbeitslose Menschen nach schweren Unfällen mit besonderen Herausforderungen konfrontiert sind. Oftmals erhalten sie nach dem Ende des Krankengeldbezugs Arbeitslosengeld, werden aber bald darauf von der Agentur für Arbeit mit einem Schreiben konfrontiert. In diesem Schreiben wird ihnen mitgeteilt, dass sie aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen nicht mehr auf dem Arbeitsmarkt vermittelt werden können. Die Agentur fordert sie auf, einen Rentenantrag zu stellen, andernfalls droht ihnen der Verlust des Arbeitslosengeldes.
Diese Situation belastet die Betroffenen zusätzlich zu den gesundheitlichen und finanziellen Problemen, die sie bereits durch den Unfall erlebt haben. Oftmals sind die rechtlichen Prozesse noch nicht abgeschlossen und Zahlungen von Versicherungen stehen aus. Die Frage nach der Zukunft und der finanziellen Absicherung wird immer drängender.
Die Rolle als unabhängige beratende Ärztin
Dr. Kelle-Herfurth berichtet, dass sie in solchen Fällen oft spät in den Prozess der beruflichen Neuausrichtung involviert wird. Als medizinische Beraterin ist es ihre Aufgabe, Betroffene bei der Selbsteinschätzung ihrer gesundheitlichen Situation und Belastbarkeit zu unterstützen sowie geeignete Maßnahmen zur körperlichen und psychosozialen Stabilisierung und beruflichen Perspektiventwicklung zu empfehlen.
Allerdings gestaltet sich aus Sicht der Betroffenen die Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit oft schwierig. Die Mitarbeiter dort sind nicht immer zugänglich und die Schreiben, die die Betroffenen erhalten, sind oft standardisiert und wenig einfühlsam.
Die Frage, wie die Agentur für Arbeit mit arbeitslosen Menschen nach schweren Unfällen umgeht, steht oft im Raum. Werden sie einfach „weiter in Ruhe gelassen“? Oder gibt es spezifische Angebote und Unterstützungsmöglichkeiten? Dr. Kelle-Herfurth kennt hier einige Lösungsansätze und gibt wertvolle Tipps für Betroffene.
Berufliche Rehabilitation als Chance
Dr. Kelle-Herfurth berichtet von geförderten Programmen, die arbeitslosen Menschen nach schweren Unfällen oder gesundheitlichen Einschränkungen eine Perspektive zur Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt bieten. Ein Beispiel ist das beruflich qualifizierende Programm „Teilnehmendenorientierung und Perspektive“. Diese vierwöchige Maßnahme bietet den Teilnehmenden die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten, Fertigkeiten und Interessen zu erkunden, um sich beruflich neu zu orientieren und ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu finden.
Insgesamt ist es wichtig, dass Unfallopfer nach ihrer Rehabilitation angemessene Unterstützung erhalten, um die Herausforderungen der Arbeitslosigkeit zu bewältigen. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Ärztinnen und Ärzten, Reha-Managerinnen und Reha-Managern, der Agentur für Arbeit und anderen relevanten Institutionen kann dabei helfen, individuelle Lösungen zu finden und den Betroffenen neue Perspektiven zu bieten.
Datenschutz ist wichtig
Viele Hilfesuchende haben Angst, dass von ihnen persönliche Daten an die Agentur für Arbeit oder beispielsweise den Rentenversicherungsträger gehen. Dies ist nicht der Fall. Alle am Reha-Prozess Beteiligten unterliegen der Schweigepflicht, insbesondere auch gegenüber tatsächlichen oder potenziellen Arbeitgebern. Das gilt auch für private Bildungsanbieter.
Die Schlussfolgerung aus dem Gespräch ist, dass es notwendig ist, die Aufmerksamkeit auf das Thema Arbeitslosigkeit nach Unfällen zu lenken und angemessene Unterstützungssysteme einzurichten. Durch eine frühzeitige Einbindung von Leistungsanbietern der beruflichen Bildung und Rehabilitation, eine verbesserte Kooperation zwischen verschiedenen Institutionen und die Implementierung von Maßnahmenprogrammen wie „Teilnehmendenorientierung und Perspektive“ können Unfallopfer und Erkrankte besser auf ihrem Weg zur beruflichen Wiedereingliederung unterstützt werden. Dies kann dazu beitragen, ihre Chancen auf eine nachhaltige Beschäftigung zu verbessern und ihre Lebenssituation zu stabilisieren.