Es ist ein Irrglaube, dass Reha-Management immer klappen muss. Und insbesondere, dass ein/e Reha-Managerin oder -Manager sich dem Willen der betroffenen Person oder Familienangehörigen unterordnen muss. Das wird von einigen Unfallopfern, aber auch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, falsch eingeschätzt. Neutralität bedeutet nicht, das zu machen, was ein Unfallopfer wünscht, sondern vielmehr im Rahmen der Fachlichkeit die Zielsetzung in Rehabilitation und Teilhabe sicherzustellen.
Auch bei Unfallfolgen, die Wesensveränderungen mit sich bringen, wie zum Beispiel einer Frontalhirnschädigung nach Schädelhirntrauma, darf es bei allem Verständnis nicht am Respekt des Unfallopfers und seiner Angehörigen gegenüber Akteuren in der Rehabilitation und Teilhabe fehlen. Auch wenn dies insbesondere für Familienangehörige bis zu einem bestimmten Punkt mit Verständnis für einen Beschützerinstinkt verbunden sein kann. Dies muss allerdings Grenzen im Rahmen der zu fahrenden Neutralität haben.
Werden vom Unfallopfer und den Familienangehörigen die Unfallfolgen als „Freibrief“ genommen sich verhalten zu können, wie man will, dann ist zwingend nach dem Code of Conduct als Arbeitsgrundlage die Beraterneutralität auf den Prüfstand zu stellen.
Die Alarmsirenen gehen besonders dann an, wenn eine Rehaeinrichtung die Aufnahme des Unfallopfers wegen des „Auftritts“ der betroffenen Person und eines Familienangehörigen strikt ablehnt.
Erstaunlich ist, wie sich auch die Zielsetzungen verschiedener Akteure im Reha-Prozess auf das Beratungsgeschehen auswirken können. Bezeichnend ist es, wenn begleitende Therapieeinrichtungen wegen wahrscheinlich eher pekuniären Erwägungen heraus, Therapieumfänge vorsehen, die alleine aufgrund der Unfallfolgen unrealistisch sind.
Werden die „Erwartungen“ nicht erfüllt und verhält sich die/der Reha-Managerin/Reha-Manager neutral im Rahmen der Fachlichkeit, ist die/der Schuldige schnell ausgemacht.
Verkannt wird, auch von Anwältinnen und Anwälten, dass Neutralität bedeutet, nicht die Position eines der am Schadensprozess Beteiligten einzunehmen, sondern quasi in der Mitte zu stehen.
Besonders heikel wird die Angelegenheit dann, wenn schon mehrere Reha-Managerinnen und Manager an den gleichen Problemen „gescheitert“ sind. Selbstverständlich sind auch diese dann an der Situation schuld gewesen. Hier wäre dann allerdings Selbstreflexion angesagt. In dem in der aktuellen Sendung des „Auf geht’s – der Reha-Podcast!“ Geschilderten Fall war es trotz Einsatz verschiedener Kommunikationstechniken nicht möglich sowohl Unfallopfer als auch Familienangehörige zu einer kritischen Selbsteinschätzung zu bewegen. Das Beratungsverhältnis war insofern aufgrund der Beeinflussung der Neutralität zu beenden.