Ein schwerer Unfall bringt nicht nur körperliche und psychische Belastungen mit sich, sondern stellt Betroffene auch vor organisatorische Herausforderungen. Viele Unfallopfer wissen nicht, dass ihnen ein strukturiertes Reha-Management helfen kann, um schneller in den Alltag zurückzukehren. Dabei gibt es klare Regelungen, die in einem sogenannten Code of Conduct festgelegt sind. Leider fehlt oft die nötige Aufklärung durch Anwältinnen und Anwälte oder die Haftpflichtversicherung, was zu Unsicherheiten und Missverständnissen führt. Jörg Dommershausen berichtet in der aktuellen Sendung des „Auf geht’s – der Reha-Podcast!“ von seinen Erfahrungen aus Erstgesprächen. Diese Erfahrungen sind Anlass, sich dem Code of Conduct noch einmal in einer kleinen Serie zu widmen.
Warum ist eine frühzeitige Kommunikation wichtig?
Eines der häufigsten Probleme in der Unfallregulierung ist die fehlende Abstimmung zwischen den Beteiligten. Geht es um die Einleitung eines Reha-Managements ist nach dem Code of Conduct müssen sich der Anwalt oder die Anwältin des Unfallopfers und die Haftpflichtversicherung sich frühzeitig abstimmen. Sie legen gemeinsam fest, ob ein Reha-Management eingeleitet wird, welcher Rehadienstleister dies durchführt und welches Rehabilitationsziel verfolgt werden soll.
Ganz konkret heißt es zu Ziffer 3 a) des Code of Conduct „Der vom Haftpflichtversicherer zu beauftragende Reha-Dienst wird einvernehmlich mit dem Rechtsanwalt/der Rechtsanwältin des Unfallopfers vorher bestimmt.“
Und weiter in der Ziffer 3 b „Der Rechtsanwalt/die Rechtsanwältin des Unfallopfers und der Haftpflichtversicherer legen das Rehabilitationsziel zuvor fest.“
Geht es um das Rehabilitationsziel ist das Unfallopfer gefragt. Hier ist der Kontakt zwischen Anwältin und Anwalt und dem Unfallopfer wichtig. Anwältin und Anwalt sollten nach den Rehabilitations- und Teilhabezielen des Unfallopfers fragen. Dies vereinfacht die Arbeit aller am Prozess Beteiligten.
In der Praxis kommt es jedoch immer wieder vor, dass diese Abstimmung nicht erfolgt. Einige Anwältinnen und Anwälte raten ihren Mandantinnen und Mandanten sogar davon ab, sich frühzeitig mit dem Reha-Management auseinanderzusetzen. Das kann dazu führen, dass wertvolle Zeit für die Rehabilitation verloren geht. Ein Beispiel: Ein schwer verletzter Motorradfahrer lehnt ein Gespräch mit einem rehamanagement-Nord ab, weil er fälschlicherweise glaubt, dieser arbeite für die gegnerische Versicherung. In Wirklichkeit hätte er durch das Reha-Management frühzeitig Unterstützung bei der medizinischen und beruflichen Wiedereingliederung erhalten. In diesem Fall hat der zuständige Anwalt das Unfallopfer gar nicht informiert, was es mit dem Reha-Management und der Neutralität eines von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltsverein anerkannten Reha-Dienstleisters auf sich hat.
Wer übernimmt die Kosten für das Reha-Management?
Viele Betroffene sind unsicher, wer für das Reha-Management zahlt. Hier gibt es eine klare Regelung: Die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers ist dazu verpflichtet, die Kosten zu übernehmen – und zwar unabhängig davon, ob das Unfallopfer eine Teilschuld trägt.
Ganz konkret regelt das Ziffer 3 c des Code of Conduct in dem steht: „Die Kosten des Reha-Managements trägt, auch bei nur quotaler Haftung, der Haftpflichtversicherer. Das Unfallopfer ist auch dann nicht zu einer auch nur teilweisen Kostenerstattung, auch soweit Zahlungen an andere als den Rehabilitationsdienst erfolgt sind, wie z. B. Kosten einer Arbeitsprobe, Lohnzuschüsse etc., verpflichtet, wenn das Reha-Management fehlschlägt oder, gleich aus welchen Gründen, abgebrochen wird.“
Eine Fußgängerin wird beim Überqueren der Straße von einem Auto angefahren. Die Schuldfrage ist nicht eindeutig, da die Fußgängerin bei Rot gelaufen ist. Dennoch übernimmt die Haftpflichtversicherung des Autofahrers das Reha-Management, da es eine Vereinbarung gibt, dass auch bei quotaler Haftung Unterstützung gewährt wird.
In manchen Fällen übernehmen Versicherer sogar die Kosten für ein Reha-Management, obwohl die Schuldverteilung nicht eindeutig ist. Das liegt daran, dass eine frühzeitige Rehabilitation langfristig Kosten spart, indem Folgeschäden vermieden werden.
Welche Daten dürfen erhoben und weitergegeben werden?
Ein weiteres zentrales Thema ist der Datenschutz. Laut Code of Conduct dürfen nur solche Daten erhoben und weitergegeben werden, die für die Rehabilitation der Unfallfolgen relevant sind. Dazu gehören Informationen über Verletzungen, Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gesundheit und geplante medizinische Behandlungen. Andere persönliche Daten, wie etwa Vorerkrankungen, sind geschützt.
Auch hier wollen wir wieder konkret werden. Genau ist dieser Teil in Ziffer 3 f aa) beschrieben in dem steht: „Der Reha-Dienst darf Daten ausschließlich zum Zwecke der Erreichung des Rehabilitationsziels erheben. Die von ihm erhobenen Daten darf er nur zum Zwecke der Rehabilitation verwenden und weitergeben; sog. Zufallsfunde dürfen nicht an den Haftpflichtversicherer weitergegeben werden.“
Ein Beispiel zeigt, warum dieser Schutz wichtig ist: Ein Unfallopfer leidet neben seinen Verletzungen an einer nicht bekannten Herzerkrankung. Diese Information darf ohne Zustimmung des Patienten nicht an die Haftpflichtversicherung oder den Arbeitgeber weitergegeben werden. Würde dies geschehen, könnte es zu Problemen mit der Arbeitsfähigkeit oder Versicherungsleistungen kommen.
Wie profitieren Unfallopfer von einem guten Reha-Management?
Ein gut strukturiertes Reha-Management hilft nicht nur bei der medizinischen Versorgung, sondern auch bei der sozialen und beruflichen Wiedereingliederung. Dabei geht es um individuelle Lösungen, die sich an den Bedürfnissen der Betroffenen orientieren.
Ein Handwerker, der nach einem Unfall nicht mehr schwer heben kann, könnte durch eine berufliche Neuorientierung neue berufliche Perspektiven erhalten. Eine Büroangestellte mit schweren Rückenverletzungen benötigt möglicherweise spezielle Arbeitsplatzanpassungen. Ein Schüler mit bleibenden Verletzungen könnte Unterstützung durch Nachhilfe oder besondere Förderprogramme bekommen.
Die Entscheidung darüber, welche Maßnahmen ergriffen werden, darf nicht allein von der Haftpflichtversicherung oder dem Anwalt getroffen werden. Das Unfallopfer selbst muss mit einbezogen werden. Wichtig für Entscheidungen ist, dass das Unfallopfer die notwendigen Informationen erhält. Hier ist der Rehadienstleister gefragt dies sicher zu stellen.
Was tun, wenn es zu Problemen kommt?
Leider gibt es immer wieder Fälle, in denen die Zusammenarbeit zwischen Unfallopfer, Anwältinnen/Anwälten Versicherungen und Reha-Managern nicht optimal läuft. Manche Anwälte informieren ihre Mandantinnen und Mandanten nicht ausreichend über ihre Rechte. Manche Haftpflichtversicherungen versuchen, Kosten zu vermeiden, indem sie notwendige Maßnahmen verzögern.
Wenn ein Unfallopfer das Gefühl hat, dass sein Reha-Management nicht optimal läuft, ist es wichtig, aktiv zu werden. Da steht das Gespräch mit dem Rehadienstleister im Vordergrund. Bei schadensrechtlichen Problemen kann eine direkte Nachfrage beim Anwalt klären, welche schadensrechtlichen Möglichkeiten bestehen und ob eine Unterstützung durch die Versicherung überhaupt beantragt wurde. Falls Unsicherheiten bestehen, kann eine schriftliche Bestätigung der Haftpflichtversicherung helfen, Klarheit über die übernommenen Leistungen zu bekommen.
Halten sich die Beteiligten in Bezug auf das Reha-Management an die Regeln des Code of Conduct, gibt es in der Regel in Bezug auf Rehabilitation und Teilhabe keine Probleme
Fazit: Wer gut informiert ist, trifft bessere Entscheidungen
Nach einem Unfall ist es entscheidend, sich frühzeitig mit dem Thema Reha-Management auseinanderzusetzen. Gefragt sind hier Anwältin/Anwalt und Haftpflichtversicherung.
Wichtig ist, dass auf der schadensrechtlichen Ebene Zwischenanwältin/Anwalt und Haftpflichtversicherer so schnell wie möglich ein vom deutschen Anwaltsverein Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht anerkannter Reha-Dienstleister bestimmt wird, der das Reha-Management durchführen soll.
Neben dem Rehadienstleister ist der Austausch zum Reha- und Teilhabeziel wichtig. Anwältin/Anwalt sollten hier zweckmäßigerweise das Unfallopfer und gegebenenfalls die Angehörigen ins Boot holen.
Das Reha- und Teilhabeziel wird nach dem Code of Conduct von Anwältin/Anwalt und dem auf die Versicherer festgelegt.
Der Code of Conduct bietet klare Regeln dafür, wie ein Reha-Management ablaufen soll, wer die Kosten übernimmt und welche Rechte Betroffene haben.